Informationen
OT:10 Rillington Place
ca.110 Minuten
GB 1971
- Richard Fleischer
- Sir Richard Attenborough
- John Hurt
- Judy Geeson
- Pat Heywood
- Isobel Black
- u.a.
Story
London kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges:
Die jungen Eheleute Timothy John und Beryl Evans ziehen gemeinsam mit ihrer kürzlich geborenen Tochter Geraldine in das Haus Nr. 10 der Rellington Street. Das Vermieterehepaar John Christie und seine Frau Ethel machen einen seriösen Eindruck. Ja gerade John Christie scheint ein Spießbürger durch und durch zu sein, der sich zwar sorgevoll um seine neuen Mieter, insbesondere die attraktive Beryl kümmert, jedoch bei geringsten Anlässen zur Beschwerde stets strikt auf die Paragrafen des Mietrechts verweist. Doch John Christie hat noch ein zweites Gesicht: Das Gesicht eines Triebmörders, der junge Frauen unter dem Vorwand medizinischer Behandlung in seine Wohnung lockt, sie dort mit Gas betäubt und anschließend erdrosselt, während er sich an ihnen vergeht.
Als die junge Beryl erneut schwanger wird, zieht das junge Paar aufgrund seiner miserablen finanziellen Situation einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung. Beryl wendet sich hilfesuchend an John Christie, der ihr von seiner „medizinischen Ausbildung“ berichtet hat. Er bietet ihr an, die illegale Abtreibung durchzuführen. Aber Christie führt natürlich anderes im Schilde. Auch Beryl wird sein Opfer. Ihrem verzweifelten Ehemann erzählt er von Komplikationen, verweist auf die Strafbarkeit des Eingriffs und macht Evans Vorwürfe und Schuldzuweisungen. Er bietet ihm an, bei der Beseitigung der Leiche zu helfen und sich um dessen Tochter zu kümmern, damit Evans vorerst untertauchen kann.
Evans willigt ein, wird kurz darauf jedoch von Gewissensbissen geplagt und offenbart sich der Polizei. Diese hat jedoch eindeutige Indizien dafür, dass Evans selbst der Mörder seiner Frau und seiner Tochter ist (die inzwischen von Christie beseitigt wurde, nicht ohne den Verdacht auf Evans zu lenken). Seine Unschuldsbeteuerungen finden kein Gehör. Evans wird als Mörder verurteilt und hingerichtet. Derweil geht Christie seinem perversen Treiben weiter nach.
Nur ein Zufall überführt ihn schließlich als Täter. Nachdem er auch seine Ehefrau ermordet hat, ist er aus finanzieller Not gezwungen, seine Wohnung aufzugeben. Seinen Nachmieter erwartet jedoch beim Einzug eine grausige Überraschung…
Kritik
Wie heißt es so schön? Nichts ist erschreckender als die Realität… und Filme ÜBER die Realität!!
Die meisten Filme über Serienmörder erzeugen ihre schaurig gruselige Stimmung nicht aus der expliziten Darstellung der oftmals blutigen Taten der „Titelhelden“, sondern hauptsächlich durch die filmische Rekonstruktion deren Lebensweise, ihres sozialen Umfelds, durch den Versuch, Einblicke in die Psyche des Täters zu geben und die Hintergründe seiner Gräueltaten aufzuzeigen.
„John Christie – Der Frauenmörder von London“ ist die Leinwandadaption des Lebens und der Taten des grausamen Frauenmörders John Christie und eben ein Paradebeispiel für eine ruhige aber dennoch packende True Crime – Verfilmung auf höchstem Niveau.
Die Grundstimmung ist vom ersten Moment an beklemmend und finster. Dieses mag in erster Linie natürlich daran liegen, dass sich der Zuschauer von vornherein bewusst ist, dass das Handlung und Charaktere auf einem authentischen Fall basieren. Alle, im Film zwar zumeist nur angedeuteten, Morde sind im wirklichen Leben tatsächlich geschehen, alle Leichenfunde tatsächlich gemacht worden. Gedreht wurde der Film an Originalschauplätzen in der Rillington Street, jedoch nicht direkt am Tatort in John Christies Haus Nr. 10, sondern zwei Häuser weiter in Nr. 6. Ein geschickter Schachzug von Regisseur Richard Fleischer: Die klaustrophobe Kulisse des Arbeiterreihenhauses mit seinem heruntergekommenen Gartens und dem engen, düsteren Treppenhaus erzeugt eine stimmungsvoll finstere Atmosphäre von der gleich ein Dutzend Gruselfilme hätten zehren können.
Sir Richard Attenborough beweist mit seiner Darstellung des Serienmörders John Christie einmal mehr, dass er unbestritten zur Riege der besten Schauspieler aller Zeiten zählt. Derart diabolisch wie Attenborough, der auch optisch eine sehr große Ähnlichkeit zu seiner verkörperten Rolle besitzt, den Charakter John Christie verkörpert, würde es wohl niemanden verwundern, wenn auf dem Attenborough’schen Anwesen einmal die ein oder andere Leiche gefunden würde. 😉
Attenboroughs schauspielerische Leistung ist grandios und wirklich unvergleichbar. Übertroffen wird sie jedoch noch von der des jungen John Hurt, der den charakterschwachen, manipulierbaren Evans spielt. Für John Hurt war es seinerzeit eine seiner ersten großen Rollen und der Beginn einer großen Karriere als Charakterschauspieler.
Der Film erzielt seine Spannung während der ersten Hälfte insbesondere aus der Zeichnung der beiden Hauptcharaktere John Christie und Timothy John Evans. Obwohl beide Personen jeweils auf ihre eigene Art als gesellschaftliche Versager angesehen werden können, Christie als mehrfach vorbestrafter Frühpensionär, Evans als finanziell gebeutelter Analphabet, könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Hier der introvertierte, aalglatte, fast schon schmierige Christie, der seine Umgebung mit Argusaugen hinter der Gardine seines Fensters beobachtet, nur auf neue Gelegenheiten wartet, seinem Morddrang nachzugeben, und es geschickt versteht, die Menschen um ihn herum mit seiner beschwörend säuselnden Stimme und pseudowissenschaftlichen Erklärungen um den kleinen Finger zu wickeln. Dort, der leicht manipulierbare Evans, der seinen Analphabetismus mit Prahlerei zu kaschieren versucht. So verwundert es nicht, dass Christie nach Ermordung der Ehefrau Evans’ leichtes Spiel hat, ihm Schuldvorwürfe zu machen und Gewissensbisse einzureden.
Der zweite Teil der Handlung konzentriert sich dann zunächst auf das tragische Schicksal Timothy John Evans’, der durch widersprüchliche Aussagen bei der Polizei und vor Gericht immer tiefer in den Strudel gerät, an dessen Ende letztlich der Scharfrichter auf ihn wartet. Im Verlauf einer wirklich fesselnden Gerichtsverhandlung versucht er, den wahren Mörder zu belasten und seinen eigenen unschuldigen Kopf zu retten. Vergeblich, denn auch hier gelingt es Christie, das Gericht und die Geschworenen durch eiskalte Lügen, ohne mit der Wimper zu zucken auf seine Seite zu ziehen. Angesichts der von Richard Attenborough in diesen Szenen glänzend präsentierten Abgebrühtheit Christies zieht sich dem Zuschauer schier die Kehle zu.
Viel schlimmer als alle dargestellte physische (weniger) und psychische (mehr) Gewalt erscheint dem Zuschauer letztlich die erschreckende Erkenntnis, die der Film aufwirft: Wie bei vielen anderen Serienkillern, wie z.B. John Wayne Gacy oder Ted Bundy ist auch John Christie nicht das offensichtlich unfassbar grausame Monster am Rande der Gesellschaft, sondern ein direkter Teil von ihr. Ein fast schon cholerischer Spießbürger mit Hosenträgern, schütterem Haar, der seine Umwelt stets beobachtet und zu Zucht und Ordnung anmahnt. Mancher Zuschauer dürfte sich nach Konsum des Films dazu angehalten sehen, sich seine unmittelbare Wohnnachbarschaft einmal genauer anzusehen. Man wird überrascht sein, wie viele „John Christies“ sich da draußen in der Welt herumtreiben. Und wer weiß, vielleicht verbirgt der ein oder andere von ihnen auch ein schreckliches Geheimnis…
Fazit: Neben HENRY, die wohl bisher beste True Crime Verfilmung, nicht zuletzt aufgrund der grandiosen Leistung der Hauptdarsteller!! Ein MUSS für alle True Crime – Interessierten.
Ähnlicher Film:
- Henry – Portrait Of A Serial Killer
- Die Zärtlichkeit der Wölfe
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