Informationen
OT:Cannibal
ca. 90 Minuten
Deutschland 2005
- Marian Dora
- Carsten Frank
- Victor Brandl
- Tobias Sickert
- Joachim Sigl
- u.a.
Story
„Der Mann“ (Carsten Frank) ist auf der Suche nach einem anderen Menschen, der in der Lage ist, sein tiefstes, inneres Verlangen zu stillen. Sein insgeheimer Traum ist es, einen anderen Mann zu schlachten und zu verspeisen. Es kommt zu vielen Treffen, doch die anderen Männer machen stets Rückzieher. Bis „Der Mann“ im Internet „Das Fleisch“ kennen lernt. Dieser trägt den Wunsch in sich, gegessen zu werden bis nichts mehr von ihm übrig ist…
Kritik
„Cannibal“ ist ein überaus kontroverser Film und ich bin froh, dass ich ihn selbst mal sehen konnte. Während ich dies tat stauten sich in mir zahlreiche Eindrücke und am Ende ließ mich Marian Dora’s mit einer zweigeteilten Meinung zurück. Eines jedenfalls ist absolut sicher: „Cannibal“ ist kein massenverträglicher Film, er ist pures Gift für den gewöhnlichen Mainstreamkonsumenten. Dora, der hiermit seinen Debütfilm ablieferte, verarbeitete klar ersichtlich die Geschehnisse um den Kannibalen von Rothenburg Armin Meiwes. Im ersten Moment ruft dies natürlich Erinnerungen an Martin Weisz‘ „Rohtenburg“ wach, der in Deutschland verboten wurde, doch genauer betrachtet handelt es sich um zwei grundverschiedene Filme. Während „Rohtenburg“ für ein größeres Publikum gedreht wurde, ist „Cannibal“ anstößigstes Independent-Kino ganz im Stil eines Jörg Buttgereit.
Die Aufmachung des Films ist, um es in einem Wort festzuhalten, sehr simpel. Der Kostenpunkt des Ganzen hat laut des Regisseurs im unteren, vierstelligen Bereich gelegen und das sieht man „Cannibal“ auch an. Der hier angewandte Stil dürfte die Zuschauer sicherlich spalten und sowohl Aussagen wie „langweilig“, als auch „künstlerisch“ hervorrufen. Es wird in „Cannibal“ kaum gesprochen, im ganzen Film sind maximal 10 Sätze zu hören. So ist das Gezeigte oftmals sehr ruhig, insbesondere im ersten Viertel. Unspektakulär sehen wir einen gewöhnlichen Mann, der durch eine typische Deutsche Stadt schlendert und sich am Bahnhof mit einem anderen Mann trifft. Schnitt. Der Mann geht nach Hause, chattet, sucht nach einem Gleichgesinnten. Keine Dialoge und kaum Musik untermalen diese Szenarien. Auch die Kamera hält stets statisch auf das Geschehen drauf. Langeweile entsteht jedoch nie, denn eine pessimistische, düstere Grundstimmung ist bereits jetzt vorhanden.
Im weiteren Verlauf des Films entsteht zu keiner Sekunde Spannung, da man als Zuschauer immer weiß, was passieren wird. Der Mann trifft sich mit dem Fleisch, die beiden tauschen zuerst Zärtlichkeiten aus, bevor dann der eigentliche Grund des Treffens gezeigt wird. Die Schlachtung und Verzehrung des Fleisches. Die Inszenierung ist dabei immer klar als aus dem Amateursektor stammend zu bemerken, doch für ein derart geringes Budget hat Marian Dora erstaunlich viel aus seinen Möglichkeiten gemacht. „Cannibal“ hat nichts mit den peinlichen Gehversuchen junger Amateurfilmer gemeinsam, die sich mit dem selbst zusammengesparten Geld an einem Blutspritzfilmchen versuchen wollen, er wirkt sehr viel professioneller, gekonnter. Die bereits erwähnten Parallelen zu Buttgereit sind dabei nicht von der Hand zu weisen: Die Lokations, insbesondere das Haus des Mannes, wirkt einsam und unmenschlich. Wenig Licht erleichtert die Sichtverhältnisse, überall findet sich Schmutz und Verwesung. Fette Spinnen und sonstiges Ungeziefer krabbelt an den Wänden entlang.
Inmitten dieser abstoßenden, kalten Umgebung finden zwei Seelen zueinander, die eine höhere Macht scheinbar zusammengeführt hat und die ein inneres Bedürfnis verbindet. „Cannibal“ erklärt die Hintergründe der Menschen in keinster Weise. Von „dem Fleisch“ erfahren wir nur, dass er aus Freiburg stammt, während wir einige winzige Ausschnitte aus der Jugend des „Mannes“ sehen. Die körperliche Nähe, die die beiden Männer eingehen wird dabei, ebenso wie die spätere Gewalt, in aller Genauigkeit gezeigt. Das Fleisch und der Mann spielen nackt im Garten, liebkosen und küssen sich, haben Sex. Das alles wird so gezeigt, das homophobe Menschen sicherlich angewidert ihren Blick abwenden werden und Erinnerungen an einen Softporno wach werden. An dieser Stelle aber ein Lob an die beiden Hauptdarsteller, die im Film fast zu 70% nackt zu sehen sind und viele unangenehme Aufnahmen über sich ergehen ließen.
Sobald es in „Cannibal“ dann ans Eingemachte geht, zeigt sich deutlich, wieso der Film in diversen Kreisen so schnell von sich reden machte. Marian Dora zeigt derart viele Anstößigkeiten, dass es zart besaiteten Zuschauern sehr schnell den Magen umdrehen dürfte. Die gesamte zweite Hälfte des Films handelt von der Tötung, Schlachtung und Verspeisung eines Menschen und dies wird in jedem noch so grausamen Detail gezeigt. Wenn etwa in Nahaufnahme zu sehen ist, wie der Mann dem Fleisch langsam den Penis abzubeißen versucht, dann ist dies nur der Auftakt für einen perversen Ekelmarathon. Sämtliche Körperflüssigkeiten fließen in Strömen, Gedärme werden entnommen und der Körper des Getöteten fachgerecht zerlegt. Dies spielt sich alles in einem dunklen Kellerraum ab, was für eine absolut deprimierende, verstörende Atmosphäre sorgt. Mir persönlich hat „Cannibal“ nicht auf den Magen geschlagen, doch für alle zart besaiteten Zuschauer spreche ich eine strengste Warnung aus.
Wenn man „Cannibal“ als Film an sich betrachtet dann ist er definitiv langweilig, das kann nicht geleugnet werden. Er bietet keine Unterhaltung im eigentlichen Sinn, vielmehr eine Verfilmung dessen, was sich so tatsächlich abgespielt hat. Viele Stellen ziehen sich sehr dahin, die Höhepunkte im Film sind die Gewaltszenen. Wer schon einiges an Splatter gesehen hat, wird sich von diesen nicht mehr schockieren lassen und wartet vergeblich auf den angekündigten Schlag in die Magengrube. Was man „Cannibal“ jedoch lassen muss, ist, dass Marian Dora hiermit etwas sehr eigenständiges, düsteres geschaffen hat und die Akteure ihre Sache beide sehr glaubwürdig machen.
„Cannibal“ ist nicht der überragende Film, den ich erwartet habe, doch dies muss relativ betrachtet werden. Es handelt sich hierbei um eine kostengünstige Independent-Produktion, und gemessen an den begrenzten Möglichkeiten des Regisseurs wurde noch das Beste herausgeholt. Für schwache Nerven ist der Streifen in keinster Weise geeignet, er stellt in brutalster Härte die Tötung und Schlachtung eines Menschen dar und spart dabei kein Detail auf. Dennoch möchte ich nicht verschweigen, dass „Cannibal“ mich an manchen Stellen schon langweilte, was zu einer mittleren Gesamtwertung führt.
Weitere Informationen:
Cannibal – Aus dem Tagebuch des Kannibalen bei Filmundo.
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