Informationen
OT:Alexandra’s Project
ca. 98 Minuten
Australien 2003
- Rolf de Heer
- Gary Sweet
- Helen Buday
- Bogdan Koca
- Samantha Knigge
- u.a.
Story
Auf den ersten Blick führen Steve (Gary Sweet) und Alexandra (Helen Buday) eine typische Ehe. In einem beschaulichen Reihenhaus mit Vorgarten hat man sich ein gemeinsames Leben eingerichtet, der beidseitige Stolz sind die beiden wohlerzogenen Kinder. Niemand würde ahnen, dass die Probleme, die hinter der Fassade lauern und Alexandra schon seit Jahren zerfressen, weit über die ansonsten typischen Eheprobleme hinausgehen. Im Schatten ihres beruflich erfolgreichen Mannes führt sie ein gelangweiltes Leben als Hausfrau und fühlt sich ihrer Existenz beraubt und nunmehr zum Objekt degradiert. Doch an Steve’s Geburtstag soll sich alles ändern, denn für diesen hat sich seine Frau etwas ganz Besonderes ausgedacht. Als Steve nach der Arbeit nach Hause kommt, findet er die Wohnung verlassen und abgedunkelt vor, sämtliche Einrichtungen wurden entfernt oder durcheinandergebracht. Im Wohnzimmer scheint des Rätsels Antwort zu warten, denn dort liegt neben dem Fernseher und einer Kamera ein Videoband. Als Steve dieses verunsichert einlegt, ahnt er noch nicht, dass das darauf zu Sehende sein ganzes Leben zerstören soll…
Kritik
Der wahre Horror ist letztendlich nur eine Wiedergabe der Realität. Keine Geistergeschichte und kein Slasher könnte uns jemals eine solche Gänsehaut über den Rücken jagen, wie das zutiefst Nachvollziehbare, das Alltägliche. Die australische Low-Budget-Inszenierung "Alexandra’s Project" ist einer von den Filmen, die einen aufgrund ihrer nachfühlbaren Authentizität schockieren und dazu keinerlei aufgesetzte Effekte brauchen. Was uns der Filmemacher Rolf de Heer, von dem auch der herausragende "Bad Boy Bubby" stammt, hier vorsetzt, ist Horror aus dem ganz alltäglichen Leben, dem vermutlich die meisten schon einmal begegnet sind. Alles beginnt friedlich, beschaulich. Eine kleine, saubere Vorstadt, in der jeder jeden kennt und in der die Harmonie beheimatet zu sein scheint. Es fehlte nur noch eine wehende "Stars and Stripes" Flagge irgendwo und man würde seine sofortige Erinnerung an "American Beauty" bestätigt sehen. Doch schon dort war das geleckt-saubere der Oberfläche nur Fassade, nicht anders scheint es in Australien zu sein. Die Hauptfiguren sind typische Reflexionen der 08/15 Familie. Die Eltern führen eine nicht mehr ganz sorglose, aber immerhin intakte Ehe, haben einen guten Draht zu ihren Kindern. Der an seinem Geburtstag beförderte Vater hat die Rolle des Ernährers inne, während die Frau den Haushalt schmeißt und die Kinder großzieht. Doch schnell verdunkelt sich dieses makellose Bild. Alexandra gibt sich stets sehr distanziert zu ihrem Mann Steve, scheint apathisch, um dessen Anwesenheit überhaupt ertragen zu können. "Alexandra’s Project" braucht nicht sonderlich lang, um mit den einfachsten Bildern eine unheimliche Spannung auf den Zuschauer auszuüben. Die Bilder, die uns Rolf de Heer serviert, sind weder aufwändig, noch von nennenswert künstlerischem Aufbau, doch sie verfehlen ihre Wirkung nicht. Die typischen Szenen einer Ehe gehen hier einheitlich mit einer immensen, melancholischen Schwere, deren Ursprung nicht leicht zu deuten ist. Weder schlägt Steve seine Frau, noch haben die beiden Streit und doch liegt ein enormer Abstand zwischen den Beiden, der den Ausgangspunkt für das noch Folgende bildet. Es sind die leisen Zwischentöne, die Erwartung auf das noch zu Erwartende, was einen alsbald gekonnt an den Bildschirm fesselt. Man weiß, dass es schon sehr bald zur Katastrophe kommen wird, kann diese aber nur erahnen. Von der ersten Minuten an ist "Alexandra’s Project" absolut unberechenbar, ein intensives Psychospiel, das gekonnt mit der Erwartungshaltung des Zuschauers interagiert. Was man hier geboten bekommt, ist ein verstörender Thriller der besonderen Sorte. "Alexandra’s Project" bietet keine Action, keine schnellen Szenenabfolgen, er spielt sich ab einem gewissen Zeitpunkt nur noch in einem dunklen Raum ab und zeigt, wie sich Steve den Inhalt des Videobandes ansieht. Was sicherlich langweilig klingt, ist in der Ausführung ein deprimierender Trip in die dunklen Pfade der Abgründe einer Ehe. Alexandra entlädt all den jahrelang angesammelten Schmerz auf dem Videoband und arbeitet all ihre Verzweiflung auf. Gleichzeitig ist der Geburtstag ihres Mannes ihr größter Triumph, an dem sie sich für all die in ihren Augen gestohlenen Jahre rächen wird. Steve stellt schnell fest, dass er in dem Haus eingesperrt ist und auch per Telefon keinen Kontakt zur Außenwelt herstellen kann und somit gezwungen ist, sich das Band anzusehen. Und was er darauf noch zu sehen bekommt, ist Psychoterror pur, der sein gesamtes Leben für immer ruinieren soll. Die Aufmachung des Films ist faszinierend. Trotz des in wenigen Sätzen zu erklärenden Inhaltes und der Tatsache, dass die zweite Hälfte lediglich aus Steve’s Konfrontation mit dem Videoband besteht, verliert der Film nie an Schubkraft. Genau wie den männlichen Hauptcharakter trifft der Inhalt dieses Bandes auch den Zuschauer an einer empfindlichen Stelle. Parteilos beobachtet Rolf de Heer, wie sich zwei Menschen ihr Innerstes offenbaren und sich in Folge von jahrelanger Unfähigkeit zum Dialog innerhalb von weniger als einer Stunde selbst zerstören. Für den Zuschauer ist dies eine intensive, niederschmetternde, da zutiefst ehrliche Erfahrung, die er so schnell nicht wieder vergessen wird. Gewalt sollte man aufgrund der Freigabe ab 16 Jahren nicht erwarten, vielmehr geht "Alexandra’s Project" stellenweise sehr offen mit nackter Haut und Sexualität um, wofür man auch die Schauspieler loben muss. Vollkommen entblößen sie sowohl ihren Körper, als auch ihr Innerstes und machen den Film zu einem bedrückenden Kammerspiel. Helen Buday mimt dabei die verzweifelte Hausfrau, die ihrem Mann den qualvollen Identitätsverlust, den sie hinnehmen musste, heimzahlt. Vor der Kamera geht sie dabei vollkommen auf und gibt sich sowohl von ihrer zerstörten, erniedrigten, wie auch von ihrer unberechenbar-intelligten Seite. Auch Gary Sweet muss man für sein exzellentes Schauspiel Respekt zollen. Zuerst zeigt er sich unnahbar und über den Dingen stehend, später vollzieht er einen sichtbaren Wandel zum vollkommen zerstörten und geläuterten Ehemann. Auch er geht dabei aufs Ganze und zeigt sich, ebenso wie wie Helen Buday, vollkommen nackt und mit dem Mut zu höchsten Emotionen. "Alexandra’s Project" ist ein Film, der gerade aufgrund seiner bodenständigen Authentizität und seiner schlichten Aufmachung zutiefst verstört. Ein nachvollziehbarer, ehrlicher und realistischer Film, der einen die Ehe in einem völlig neuen Licht sehen lässt und der viele Ansätze beinhaltet, die man so aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Ein Thriller der besonderen Art, den man sich durchaus ansehen sollte – wenn auch eher nicht mit seinem Ehepartner.
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