Informationen
OT:Psychotica
ca.60 Minuten
Deutschland 2006
- Sebastian Radtke
- Carolin Meyer
- Kay Petzold
- Sebastian Radtke
- u.a.
Story
Ein junger und scheinbar gestörter Medizinstudent hat ein Serum entwickelt, das extrem realistische Halluzinationen herbeiführt. Immer wieder entführt er Menschen, an denen er seine Experimente durchführt, doch diese waren bislang noch nicht von Erfolg gekrönt. Dieses Mal allerdings verläuft alles anders. Der Medizinstudent entführt eine junge Frau (Carolin Meyer), der er in seinem Versteck das Serum injiziert und tatsächlich scheint alles wie geplant zu laufen. Die Frau durchlebt fortan mehrere Visionen ihres eigenen Todes, die der Medizinstudent über einen Monitor mitverfolgen kann. Am Ende stellt er sein unfreiwilliges Versuchskaninchen vor die Wahl, welche der schrecklichen und blutigen Mordszenarien grausame Wahrheit werden soll, doch letzten Endes kommt alles anders…
Kritik
Der deutsche Amateur-Horrorfilmsektor ist im Allgemeinen nicht unbedingt mit dem besten Ruf ausgestattet, was junge Filmemacher allerdings zum Glück nicht davon abhält, ihre eigenen Werke und Ideen auf Film festzuhalten. Zu den eher bekannten, wenn auch nicht in allen Fällen beliebten, Regisseuren hierbei zählen Ittenbach, Schnaas, Rose und Konsorten, doch auch fernab dieser Namen gibt es immer wieder mal überraschende Neuigkeiten aus der Welt des No-Budget Sektors zu vermelden. So zum Beispiel die, dass mit Sebastian Radtke ein weiterer, ernstzunehmender Jungregisseur durch seine letzte Produktion "Psychotica" die Runde in Fankreisen macht. Der aus dem kleinen Städtchen Eisenhüttenstadt stammende Nachwuchsfilmer begann seinen Traum von den eigenen Filmen bereits im Alter von 17 Jahren, im Jahr 2002 mit dem Kurzfilm "Bloody Dawn" zu verwirklichen, damals einzig mit der Hilfe seiner Freundin Carolin Meyer. Diese war auch an allen anderen, noch folgenden Streifen Radtke’s beteiligt und agierte meist in der Hauptrolle. In den Folgejahren sollten noch die Kurzfilme "Suicide", "Der Blutgänger", "Der welke Traum", "Das Grab", "Wenn es Nacht wird…" und "Tränen einer Rose" das Licht der Welt erblicken, die allerdings nicht ausschließlich Horrorthematiken behandelten.
Interessant an Sebastian Radtke, der seine Streifen alle aus der eigenen Tasche finanziert, ist die Tatsache, dass er sich, anders als diverse andere, deutsche Amateurfilmer, nicht nur in den nächsten Wald begibt, um dort ein paar blutige Effekte festzuhalten, sondern gerne auch mal in andere Richtungen geht, schön zu sehen an seinen Filmen "Der welke Traum" und dem sogar leicht märchenhaften "Tränen einer Rose". Mit "Psychotica" realisierte Radtke im Jahr 2006 seinen ersten, längeren Spielfilm und zugleich seine bislang aufwändigste Arbeit. Um so erstaunlicher ist es, das meist nur wenige Leute am Set waren, der Streifen wurde beinahe komplett nur von drei Personen inszeniert und das in gerade mal 10 Tagen Drehzeit. Auch hier griff der junge Regisseur wieder in die eigene Tasche, um den Film zu finanzieren, was sich jedoch lohnen sollte, so wird "Psychotica" mittlerweile sogar schon auf DVD vertrieben.
Ganz klar, Ottonormalverbraucher werden mit den Filmen von Radtke nichts anfangen können, da stellt auch "Psychotica" keine Ausnahme dar. Interessant ist das Werk letzten Endes onehin nur für Fans derartiger Amateurproduktionen, die hierbei jedoch, so lange sie ein wenig über die Hintergründe des Drehs, und der Person, die den Film verwirklichte, bescheid wissen, mit einer wirklich sehenswerten Angelegenheit belohnt werden. "Psychotica" ist weit davon entfernt, als innovativ durchzugehen, dennoch kann man als Symphatisant derartiger No-Budget Produktionen hier nur zufriedengestellt werden. Wie erwähnt, ist Radtke keiner von den Regisseuren, die nur Splatterszene an Splatterszene reihen, das kann man immer noch Ittenbach überlassen, vielmehr geht es ihm auch mal darum, eine Story zu erzählen, und sein Publikum einfach nur zu unterhalten und dies gelingt dem hier vorliegenden Streifen beides in einem ausreichenden Maß. Der Plot um das bewusstseinsverändernde Serum, das dazu in der Lage ist, real wirkende Visionen hervorzurufen, ist recht flach, doch zumindest ist die Chance auf Abwechslung hiermit gegeben, ist der Streifen doch somit quasi in mehrere Kurzfilme unterteilt. Jede Vision, erzählt, wenn man so will, eine kleine Geschichte für sich, die von der Grundhandlung zusammengehalten werden, ansonsten aber genug Freiraum für völlig unterschiedliche Szenarien bieten.
So sorgen die mörderischen Ideen ein ums andere Mal wieder für Abwechslung, einmal werden der entführten und unfreiwillig in das Experiment involvierten Frau die eigenen Organe zum Verzehr vorgesetzt, das nächste Mal erwacht sie in einem sterilen und unheimlichen Schlachthaus, wo sie von einem Psychopathen verfolgt und umgebracht wird. Stellenweise kommen dabei sogar Erinnerungen an "Saw" hoch, etwa wenn die Frau mit einer Gasmaske auf dem Kopf zu sich kommt, die mit einem Giftgasbehälter verbunden ist. Wenn es ihr nicht gelingt, eine bestimmte Aufgabe zu lösen, wird sie zwangsläufig das Gas einatmen und qualvoll sterben. Wie erwähnt, gestalten sich die Ideen als sehr unterschiedlich und des öfteren sogar als optisch reizvoll, etwa wenn die Frau in einem weißen Himmelbett liegend, in ein Brautkleid gekleidet, zu sich kommt und im Folgenden verwirrt und benommen durch den Wald stolpert, bevor sie dann von einem unbekannten Angreifer ertränkt wird. Ohne Frage wird Sebastian Radtke für diese Handlung nicht auf den Originalitätspreis hoffen dürfen, doch sie funktioniert besser, als vieles, was man sonst aus dem Sektor kennt und kann einen durchweg bei Laune halten.
Die mit einem statischen 3CCD Camcorder eingefangenen Bilder wirken professionell und visuell für ein derartiges Projekt absolut ausreichend, hier liefert Radtke keinen Grund zur Beschwerde. Auch, wenn "Psychotica" letzten Endes einen runden Eindruck macht und durchaus überzeugt, hat allerdings auch dieser Film seine kleinen Schwächen. Die Dialoge sind hier beispielsweise etwas unbeholfen eingebracht und teilweise etwas unverständlich, insbesondere bei der verzerrten Stimme des Entführers, der zugleich auch für das Experiment verantwortlich ist. Desweiteren dürfte "Psychotica" wohl für all jene eine Enttäuschung darstellen, die sich hierbei einen blutgetränkten Splatterfilm erhoffen, denn obwohl das Werk durchaus seine gorehaltigen Momente hat, ist viel zu wenig Blut vorhanden, um es wirklich in die Splatter-Ecke stellen zu können. Wenn es dann aber doch mal zur Sache geht, dann stets sehr überzeugend und professionell. Egal ob nun eine Entweidung oder ein Messer, das in ein Gesicht gestochen wird, der Verantwortliche beherrschte sein Handwerk. Zu den positiven Aspekten gesellt sich noch der selbst erstellte Soundtrack hinzu, der stets einen sehr passenden Eindruck vermittelt, sowie die Kulissen, allen voran das beklemmende und sterile Schlachthaus. Lediglich die Darsteller wirken teilweise noch etwas unbeholfen, was insbesondere für Carolin Meyer gilt. Sicher, sie steht in einer besonderen Beziehung zu Radtke und war bei seinen Arbeiten von Anfang an dabei, dennoch sollte der Regisseur langsam mal daran denken, vielleicht talentierte Darsteller zu engagieren, die die selbe Arbeit für wenig Budget machen, denn Meyer wirkt an vielen Stellen gelangweilt und desinteressiert, was bei einem Kurzfilm noch zu verschmerzen ist, bei einer längeren Angelegenheit wie "Psychotica" auf Dauer aber sehr negativ auffällt.
Freunde des Amateurgenres, aber auch nur diese, sollten "Psychotica" unbedingt eine Chance geben, denn Sebastian Radtke ist es hiermit gelungen, einen unterhaltsamen und nur selten langweiligen Horrorfilm zu drehen, der gekonnt und souverän inszeniert wurde und durch die abwechslungsreiche Story zu gefallen weiß. Kleine Schwächen wie die Schauspielerleistungen und die teilweise schwer verständliche Synchro verzeiht man dem Werk dabei gerne, macht es doch Hoffnung, dass der deutsche Amateurfilmbereich noch etwas zu bieten hat und sich nicht nur auf die immer gleichen Splattervehikel festgefahren hat, die zwar ab und an ganz nett sind, auf Dauer aber auch langweilig werden. "Psychotica" ist ein rundum gutes Beispiel für zufriedenstellenden und schnörkellosen Amateurhorror, der in dieser Form absolut sehenswert und zu empfehlen ist.
Ähnlicher Film:
- Bloody Dawn
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