Informationen
OT:Hannibal Rising
ca. 121 Minuten
Frankreich, GB, USA 2007
- Peter Webber
- Gaspard Ulliel
- Gong Li
- Richard Brake
- Rhys Ifans
- u.a.
Story
Litauen im zweiten Weltkrieg: Der zehnjährige Hannibal Lecter (Aaron Thomas) wächst zusammen mit seiner kleinen Schwester Mischa (Helena-Lia Tachovska) zur Zeit des Zweiten Weltkrieges im großen Anwesen der der Familie Lecter auf. Eines Tages werden seine Eltern von einem abstürzenden Flugzeug getötet, Hannibal kann sich mit seiner Schwester allerdings in eine Jagdhütte retten. Auf ihrer Flucht treffen die Kinder auf eine Truppe Soldaten, von denen sie gefangengenommen werden. Es steht ein langer Winter bevor und als das Essen knapp wird, töten die Männer auf barbarische Weise Hannibal’s Schwester Mischa, um sie danach zu kochen.
Dieses Ereignis prägt und traumatisiert den jungen Hannibal zutiefst. Seine restliche Kindheit verbringt er in dem mittlerweile zum Waisenheim umfunktionierten Anwesen der Familie Lecter. 8 Jahre später gelingt ihm die Flucht nach Frankreich, wo er sich in die Hände seiner Tante Lady Murasaki (Gong Li) begibt. Diese kümmert sich aufopfernd um ihn und gewinnt so das Vertrauen des jungen Hannibal. Den ersten Mord begeht der immer noch traumatisierte junge Mann an einem fetten Schlachter, der Lady Murasaki aufgrund ihrer japanischen Abstammung beleidigt und dafür von Hannibal mit einem Samuraischwert abgeschlachtet wird. Mehr und mehr keimt in dem traumatisierten, doch hochintelligenten jungen Mann das Verlangen, die Mörder seiner Schwester ausfindig zu machen und zu bestrafen. Als er Mischa’s Grab besucht, findet er darin die Dienstmarken der Männer. Seine Spur der Rache führt Hannibal durch ganz Europa…
Kritik
Der Kannibale Dr. Hannibal Lecter, welcher erstmals 1981 in Thomas Harris‘ Roman "Red Dragon" auftauchte und sich seitdem laut einer Studie des amerikanischen Filminstitutes zum gefährlichsten Bösewicht der Filmgeschichte entwickelte, wird wohl von den meisten Personen mit dem Gesicht von Sir Anthony Hopkins in Verbindung gebracht werden. Kein Wunder, spielte Hopkins den Kannibalen mit der Vorliebe für guten Wein und klassische Musik doch in drei der insgesamt fünf Streifen rund um Hannibal Lecter: Zuerst im 1991 gedrehten "Das Schweigen der Lämmer", dann nach einer 10 jährigen Pause im nicht minder genialen "Hannibal", welcher den brillanten Kannibalen endgültig in den Mittelpunkt rückte, nachdem Lecter seine Präsenz im Vorgängerfilm mit Clarice Starling und dem Serienmörder Buffallo Bill teilen musste. Nur ein Jahr nach "Hannibal" folgte dann überraschend eine Neuverfilmung von "Manhunter" bzw. "Red Dragon", welcher die Geschichte vor den Geschehnissen aus "Das Schweigen der Lämmer" erzählte. Nachdem Anthony Hopkins nach drei Lecter-Filmen mit absoluter Sicherheit verkündete, dass er nicht wieder in die Rolle des Kannibalen schlüpfen werde, mussten die Produzenten sich etwas Neues einfallen lassen, denn finanzielles Potenzial steckte nach wie vor in dem Franchise.
Das Resultat einiger unter Zugzwang geratenen Produzenten ist, wie eigentlich zu vermuten war, ein Prequel. War bereits "Roter Drache" eine Vorgeschichte, so dreht "Hannibal Rising" das Rad nun noch wesentlich weiter zurück und befördert uns mitten hinein in die Kindheit des Kannibalen. Die zu klärende Frage war natürlich, wie Hannibal Lecter zu dem wurde, den wir alle kennen und fürchten. Mit von der Partie war auch hier wieder Thomas Harris, aus dessen Feder alle vorangegangenen Lecter-Romane stammen. Dieses Mal war seine Mitarbeit an dem Projekt allerdings eher erzwungener Natur, nachdem ihm die Produzenten nämlich mitteilten, dass man ein Prequel mit oder ohne seiner Mitarbeit drehen würde. Der einzige Grund, wieso der Roman "Hannibal Rising" geschrieben wurde, war also der, dass Harris auch weiterhin am Lecter-Franchise beteiligt sein wollte. Das merkt man der Verfilmung des Romans, für die Harris auch das Drehbuch schrieb, leider an.
Die einst so fesselnden Psychothriller um den Kannibalen Hannibal Lecter liegen leider meilenweit über dem, was Harris mit "Hannibal Rising" inhaltlich abgeliefert hat. Hier bekommt das erwartungsfreudige Publikum bestenfalls noch eine handelsübliche Rachestory zu sehen, wie man sie zwar durchaus noch für einen unterhaltsamen Abend gebrauchen kann, die aber in keinster Weise mit dem mithalten kann, was man von den "Hannibal" Werken gewohnt ist. Kein Wunder, dass auch Peter Webber’s Verfilmung des Romans einiges zu wünschen übrig lässt. An und für sich war es sicherlich keine verkehrte Wahl, den Posten des Regisseurs mit dem Briten zu besetzen, konnte er doch mit "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" vor 4 Jahren ein durchaus überzeugendes Drama hinlegen. Selbst der beste Filmemacher ist aber leider nicht in der Lage, aus einer zu Wünschen übrig lassenden Vorlage einen tollen Film zu zaubern.
Eine Frage, über die man wohl ganze Seminare abhalten könnte ist die, ob es eine Vorgeschichte wirklich gebraucht hat. Die Einen interessierte es sicherlich, wie Hannibal zu dem brillanten Mörder wurde, doch man muss dabei im Hinterkopf behalten, dass dadurch ein Großteil der Faszination um diesen Menschen herum zerstört wird. Das Faszinierende an Hannibal Lecter war stets die Ungewissheit um seine Vergangenheit, doch nun hat dank "Hannibal Rising" eine unwiderrufliche Entmystifizierung stattgefunden. Die anspruchsvoll klingende Story ist dabei so simpel, dass sie über das Prinzip eines handelsüblichen Slashers nicht hinauskommt:
Ein Junge muss im Krieg miterleben, wie seine Schwester gefressen wird, entwickelt dadurch selbst kannibalistische Neigungen und nimmt sich viele Jahre später die Übeltäter einen nach dem anderen vor. Fast schon fühlt man sich anhand dieser Story an Streifen wie "Freitag der 13." erinnert, die auch nur Tötungsszene an Tötungsszene aneinander reihten und bei denen man erst gar nicht nach einem vernünftigen Plot suchen musste. Aber halt, ganz so schlimm wird es dann bei "Hannibal Rising" doch nicht, denn zumindest die ersten 45 Minuten sind tatsächlich ein sehr interessanter Rückblick auf Hannibal Lecter’s Vergangenheit. Wie er miterleben muss, wie Mischa gefressen wird, seine spätere Flucht zu seiner Tante Lady Murasaki und sein langsamer Werdegang zum Mörder werden nachvollziehbar und bodenständig geschildert. Peter Webber hat sich wirklich Mühe gegeben, das Geschehen in anspruchsvollen Bildern zu filmen, so dass es reichlich fürs Auge gibt. In die Tiefe geht "Hannibal Rising" bei seinen Erzählungen allerdings nie, so wird Lecter’s Beziehung zu seiner Mentorin und Tante Lady Murasaki nur sehr oberflächlich geschildert.
Irgendwann macht der Streifen eine Kehrtwendung und wird zum berechenbaren, innovationslosen Katz – und Mausspiel, in dessen Verlauf Hannibal nach den Mördern seiner Schwester sucht und diese dann nacheinander umbringt. Hier präsentiert sich "Hannibal Rising" zwar von einer sehr brutalen, blutigen Seite, und zeigt durchaus recht grausame Arten, einem Menschen das Leben zu nehmen, doch mehr bietet einem die Geschichte dann ab der Hälfte nicht mehr. Es scheint, als habe es irgendwann spontan "Klick" gemacht und Hannibal ist vom traumatisierten Jugendlichen zum sich perfekt artikulierenden Killer mutiert. Dabei ist "Hannibal Rising" nicht nur mehr und mehr unglaubwürdig, sondern begeht auch den Fehler, sich als Slasher typischster Bauart zu präsentieren.
Psychologische Tiefe gibt es kaum zu betrachten, irgendwann ist es nur noch das Blut, auf das "Hannibal Rising" seine Aufmerksamkeit richtet. Ich möchte garnicht leugnen, dass mir der Streifen als Horrorfan durchaus zugesagt hat, doch es bleibt nach wie vor die Frage nach dem warum. Warum brauchte es unbedingt eine Vorgeschichte zum Werdegang Hannibal Lecters? Natürlich des Geldes wegen. An den Kinokassen konnte der Streifen den Erwartungen allerdings nicht standhalten und sorgte eher für ernüchternde Einspielergebnisse. Der Film an sich lässt dabei, wenn man einen typischen Slasher sehen möchte, nicht viele Wünsche offen, da er sowohl brutale Szenen, wie auch anspruchsvolle Momente kombiniert und in seinen zwei Stunden kaum langweilt. Doch da "Hannibal Rising" den Anspruch erhebt, eine Vorgeschichte zu den anderen Lecter-Erzählungen sein zu wollen, hätte man durchaus mit mehr rechnen dürfen.
Das Bedenken vieler Filmfans verlagerten sich im Voraus insbesondere auf einen Faktor – den Hauptdarsteller. Anthony Hopkins in seiner Darstellung des intelligenten Kannibalen ist schon legendär und es schien deshalb unwahrscheinlich, dass irgend ein Jungschauspieler dem das Wasser reichen könnte. Nach einigen Überlegungen fiel die Qual der Wahl dann auf den recht unbekannten, 23 jährigen Franzosen Gaspard Ulliel, der zwar schon einige Male vor der Kamera stand, dem der große Durchbruch bislang aber verwehrt blieb. Das dürfte sich nach "Hannibal Rising" geändert haben. Denn auch, wenn Ulliel die übergroßen Fußspuren, die Hopkins hinterlassen hatte, nicht ausfüllen kann, so legt er doch eine überraschend souveräne Leistung ab. Sein hämisches Grinsen, wenn er sich über seine Opfer hermacht, hat etwas dämonisches und verleiht Gaspard Ulliel sehr viel Sadismus, vor dem man sich fast schon automatisch fürchtet. Auch wenn viele Fans der bisherigen Hannibal-Filme über das Fehlen von Anthony Hopkins untröstlich sein dürften, hat man mit dem Franzosen Ulliel doch einen annehmbaren Kompromiss gefunden, wie ich meine.
Viel erwartet hat im Voraus wohl niemand von "Hannibal Rising" und so darf letzten Endes gesagt werden, dass die Enttäuschungen vermutlich auch nicht ganz so groß ausfallen. Das Prequel kann den vorangegangenen Teilen um den Kultkannibalen in keinster Weise das Wasser reichen. Die Handlung trampelt zu großen Teilen auf anspruchslosen, vorhersehbaren Slasherpfaden und bietet längst nicht das, was eine Vorgeschichte zu einem Menschen wie Hannibal Lecter hergegeben hätte. Ob das allerdings die Schuld von Thomas Harris oder Peter Webber war, muss erst noch geklärt werden. Ich schätze jedenfalls, dass Webber ein deutlich besserer Film gelungen wäre, hätte das Drehbuch mehr hergegeben. "Hannibal Rising" ist weder langweilig, noch stümperhaft inszeniert, im Gegenteil, doch die Handlung ist einfach ziemlich schwach und kann nicht gerade zu Begeisterungsstürmen hinreißen.
Für einen gemütlichen Filmeabend zu empfehlen, doch eingefleischte Hannibal Lecter Fans können "Hannibal Rising" ohne schlechtes Gewissen meiden.
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